Wie man eine $50.000 Website mit nur einem einzigen Plugin ruiniert

Geschrieben von Anne-Mieke Bovelett am 2. März 2023
Status: 2.3.2023 angepasst für Leser in der EU

Das Drama des “Instant Accessibility”-Buttons

Stellen Sie sich vor, Sie setzen Menschen in ihren Sommeranzügen und Hausschuhen am Nordpol ab. Dann gibt man ihnen ein Foto von einem Lagerfeuer, ein paar Fäustlinge, eine warme Mütze und ein paar Skier ohne Skistöcke und sagt: “Ja, ich weiß, das ist nicht komplett und alles für diese lebensfeindliche Umgebung, aber es ist wenigstens etwas, oder?”

Das ist es, was Sie einer unglaublich großen Zahl von Menschen antun, wenn Sie (oder Ihr Webentwickler) ein Plugin installieren, das verspricht, Ihre Website sofort vollständig barrierefrei zu machen.

Wenn Sie bisher nur vage von Barrierefreiheit im Web gehört haben: Ich meine damit nicht nur die Menschen, die auf Hilfstechnologien im Web angewiesen sind. Ich beziehe mich auch auf diejenigen, die zum Beispiel an Legasthenie oder ADHS leiden (wie ich) oder dem autistischen Spektrum angehören (wie viele meiner Freunde). Auch ältere Menschen und Menschen, die aufgrund ihrer sozioökonomischen Situation nur über langsame Internetverbindungen und minderwertige Smartphones verfügen.

Für diejenigen, die noch nie etwas von Barrierefreiheit im Internet gehört haben, gibt es einen sehr informativen und kompakten Artikel auf Wikipedia, der mit einer klaren Zusammenfassung beginnt.

“Immerhin etwas!”

Solche Plugins versprechen, Ihre Website barrierefrei zu machen. Schlimmer noch, einige von ihnen verlangen eine saftige monatliche Gebühr und versprechen, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. In Wirklichkeit bieten sie aber nicht mehr als dieses respektlose “wenigstens etwas”. Die Absicht mag richtig sein, aber die Ausführung stinkt. Zugänglichkeits-Plugins können nicht reparieren, was bereits kaputt ist.

Es spielt keine Rolle, wie viel die Erstellung Ihrer Website gekostet hat.

Wenn es um Zugänglichkeit geht, sind viele Websites kaputt. Das gilt auch für viele meiner eigenen, die ich gerade überarbeite, um das Problem zu beheben.

Jede Stunde, die ich nachts damit verbringe, meine eigenen Websites barrierefrei zu machen, ist eine Stunde, die ich nicht in Rechnung stellen kann. Bei bestehenden Projekten ist das ein enormer Aufwand. In vielen Fällen bedeutet dies drastische Änderungen an Design und Inhalt. Zukünftigen Kunden kann ich aus Erfahrung sagen, warum es viel billiger ist, eine Website unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit komplett neu zu erstellen.

Die Sache ist die: Wenn Sie einmal wissen, dass Ihre Website für eine riesige Gruppe von Nutzern unzugänglich ist, und wenn Sie einmal wissen, was auf dem Spiel steht, können Sie es nicht mehr rückgängig machen.

Gute Absichten

Das Schlimmste ist, dass so viele Leute, die diese Zugänglichkeits-Plugins installieren, glauben, dass sie etwas Gutes tun. Sie meinen es gut und haben die besten Absichten! Dessen bin ich mir bewusst.

Und dann gibt es noch diejenigen, die diese Plugins installieren, weil sie (fälschlicherweise) glauben, dass sie dadurch zum Beispiel vor Klagen in den USA wegen Nichteinhaltung des ADA geschützt sind. Und dass sie in Deutschland auch vor den Folgen des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) geschützt sind. Nun, ich habe Neuigkeiten für Sie: Das tun sie nicht. Sie können Sie nicht vor fehlerhaftem Code, falscher Verwendung von Überschriften, nicht-semantischem HTML, überladenem Design usw. schützen. Denn das ist wirklich das Problem. Wenn Ihre Website nicht von Anfang an unter dem Gesichtspunkt der Barrierefreiheit erstellt wurde, kann ein solches Plugin Sie nicht vor rechtlichen Konsequenzen schützen.

Der unten verlinkte Artikel befasst sich mit diesem Thema: Overlays für mehr Barrierefreiheit? Warum das keine gute Idee ist.

P.S. Es fällt mir wirklich schwer, diesen Artikel zu beenden, denn es gibt noch so viel mehr zu schreiben, wenn es um Barrierefreiheit im Web geht. Unter anderem die Debatte darüber, wer dafür verantwortlich ist, dass das Web barrierefrei ist. Oder warum Sie niemals davon ausgehen sollten, dass die in diesem Artikel genannten Gruppen Ihre Website nicht besuchen. Oder warum es wirklich traurig ist, dass manche Grafikdesigner den Spaß an der Herausforderung der Barrierefreiheit nicht erkennen können. Was – zum Teil – auch mit der trockenen Dokumentation über Barrierefreiheit zu tun haben könnte, die nicht in einer für Designer ansprechenden und inspirierenden Weise verfasst wurde.

Aber sehen Sie? Ich schweife schon ab, mit Themen für zukünftige Artikel.